Antwort auf den offenen Brief von Bündnis90/Die Grünen zur Situation an der KZ-Gedenkstätte Dachau
Sehr geehrte Frau Hoffmann,
sehr geehrte Frau Krispenz,
sehr geehrte Frau Beittel,
sehr geehrte Herren Seidl und Dr. Modlinger,
ich danke Ihnen für Ihren Offenen Brief zum baulichen Zustand von Gebäuden und Liegenschaften an der KZ-Gedenkstätte Dachau.
Ich bedauere allerdings, dass Sie diesen Weg gewählt haben anstatt zunächst ein Gespräch mit der Leiterin der Gedenkstätte, Frau Dr. Gabriele Hammermann, oder mir zu suchen. Hierfür stehen wir beide jederzeit gerne bereit und es wäre unserem gemeinsamen Anliegen - der zeitgemäßen Fortentwicklung der Erinnerungsarbeit und dem Erhalt der Gedenkstätte – sicher dienlicher als die Platzierung von doch einseitigen, teils unvollständigen und teils unrichtigen Darstellungen in der Öffentlichkeit.
Aber Ihr Brief gibt mir doch auch Gelegenheit, die von Ihnen vorgetragene Kritik zurechtzurücken und die Rahmenbedingungen wie auch die Leistungen der Gedenkstättenstiftung insgesamt wie auch der KZ-Gedenkstätte Dachau erneut angemessen darzustellen.
KZ-Ehrenfriedhof Leitenberg
Der Erdrutsch von Anfang Februar 2022 ereignete ca. 100 – 150 Meter vom KZ-Friedhof entfernt und hat auf diesen keinerlei Einfluss. Als Sofortmaßnahme wurden seitens der zuständigen Staatlichen Bauverwaltung in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde an der Abbruchkante einige Bäume gefällt. Die Situation an der Hangkante wird von der KZ-Gedenkstätte und vom Staatlichen Bauamt Freising laufend überwacht, um eine Gefährdung des KZ-Friedhofs auszuschließen.
Die Zugänglichkeit des Friedhofs ist über einen gut gepflegten, allerdings nicht barrierefreien Weg jederzeit sichergestellt. Die Errichtung eines zusätzlichen, barrierefreien Zuwegs ist in Abstimmung mit der Stadt Dachau konzipiert, wird aktuell aber durch den Einspruch eines privaten Grundstückseigentümers verhindert. Über die Frage, ob weitere Nebenwege, die sich in einem schlechteren Zustand befinden und in einem Fall aktuell gesperrt sind, erneuert oder rückgebaut werden, werden Stiftung, Gedenkstätte und Staatliches Bauamt nach weiteren Untersuchungen entscheiden.
Für Erhalt und Pflege des KZ-Friedhofs stellen Bund und Freistaat gesonderte Mittel zur Verfügung. Ich habe dazu bereits vor einigen Wochen einen Antrag im Bayerischen Landtag eingebracht, der eine deutliche Erhöhung der bayerischen Mittel für 2023 zum Ziel hat.
Internationales Mahnmal
Die derzeit laufende Restaurierung soll - Stand heute - im Laufe des Jahres 2022 abgeschlossen werden. Die Restaurierung ist ein langwieriger und technisch aufwendiger Prozess. Um hier eine deutliche Beschleunigung herbeizuführen, hat auf meine Initiative hin im vergangenen Jahr das Kultusministerium einer deutlichen, zweckgebundenen Aufstockung der Bauunterhaltsmittel zugestimmt.
Kräutergarten
Der sog. „Kräutergarten“ entzieht sich aktuell dem Zugriff der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, denn es handelt sich hier um städtischen Grund. Ungeachtet von Meinungsverschiedenheiten über die Nachkriegshistorie des Geländes und die Verantwortlichkeiten hierfür haben sich Stiftung und Stadt Dachau für Ende März erneut zu einem Gespräch vereinbart. In diesem sollen die konkreten Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für eine Übernahme der betreffenden Grundstücke in das Stiftungsvermögen erörtert werden; es ging zuletzt um gutachterlich zu qualifizierende Kontaminationen des Geländes, die bei einem Eigentumstransfer zwingend berücksichtigt werden müssen. Sollten wir hier – wovon ich überzeugt bin – vorankommen, wird es unter anderem Aufgabe des Stiftungsrats sein, über das weitere Vorgehen und eine angemessene Einbeziehung der verbliebenen Reste des historischen Areals in die Gedenkstättenarbeit zu entscheiden.
Im Übrigen stellt sich die aktuelle Situation in den von Ihnen angesprochenen Fällen jeweils wie folgt dar:
Baracken:
Die Neugestaltung ist ein prioritäres Projekt der vorgesehenen künftigen Gesamtkonzeption der Gedenkstätte. Eine auf Grundlage eines Ministerratsbeschlusses eingerichtete Konzeptgruppe entwickelt die zukünftigen inhaltlich-konzeptionellen Nutzungen der Baracken, klärt, grob geschätzt, die voraussichtlichen Kosten und die baulichen Voraussetzungen der Realisierung des Konzepts. Im Wesentlichen sind für die westliche Baracke Seminarräume, für die östliche eine museale Nutzung zur Thematik der Nachkriegsgeschichte des Lagers vorgesehen. Die Arbeit der Konzeptgruppe, deren personelle und bauliche Kosten ausschließlich vom Freistaat getragen werden, wird im ersten Halbjahr 2022 abgeschlossen sein, so dass ein von der Staatsregierung inhaltlich und finanziell mitgetragenes ‚Baracken-Projekt‘ im September dieses Jahres dem Bund zur Kofinanzierung vorgelegt werden kann.
Altes Krematorium:
Das Fachwerk wurde saniert. Hier besteht aktuell kein Handlungsbedarf.
Neues Krematorium:
Aufgrund eines Gutachtens aus dem Jahr 2018 wurden die Mängel am Dachtragwerk bearbeitet, die turnusmäßige erneute Prüfung in 2021 hat allerdings ergeben, dass dies nur vorübergehend wirksam war. Der Zustand hat sich wieder verschlechtert und es wurde als Sofortmaßnahme eine temporäre Notsicherung eingebaut. Das Tragwerk des Neuen Krematoriums weist nach Aussage des Staatlichen Bauamts insbesondere auf Grund seines Alters und seiner konstruktiven Besonderheiten keinen technisch stabilen Zustand auf. Eine dauerhafte Sanierung erfordert weitergehende Untersuchungen und ein umfassendes und denkmalgerechtes, bauliches Konzept für die Verstärkung des Tragwerks. Erst nach dessen Vorliegen wird man sehen, wie das Dach ertüchtigt werden kann, welche Mittel dafür erforderlich sind und wann diese zur Verfügung stehen werden.
Auch ich würde es sehr begrüßen, wenn die Arbeiten am Neuen Krematorium rascher vonstattengehen würden. Allerdings muss man durchaus berücksichtigen, dass nicht zuletzt pandemiebedingt die personellen und materiellen Ressourcen im Hochbau in erheblichem Umfang gebunden sind. Gerade Kommunalpolitiker, die ja mit dieser Thematik häufiger befasst sind, können hierfür sicherlich ein Grundverständnis aufbringen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie dürfen davon ausgehen, dass ich mich auch weiterhin mit aller Kraft für eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der Stiftung bzw. der beiden bayerischen KZ-Gedenkstätten einsetzen werde. Ich würde es daneben sehr begrüßen, wenn der Dachauer Kreis- und Ortsverband von Bündnis90/Die Grünen sich auch bei der zuständigen Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Frau Staatsministerin Claudia Roth, für eine deutliche Erhöhung der Fördermittel des Bundes einsetzen könnte. Es wäre ein großer Fortschritt, wenn hier in Anlehnung an die bayerische Förderpraxis der vergangenen Jahre ein kontinuierlicher Zuwachs bei den jährlichen, institutionellen Zuwendungen an die Stiftung erreicht würde. Von einer hälftigen Beteiligung des Bundes sind wir weit entfernt.
Der Einsatz für die KZ-Gedenkstätten und die Erinnerung an die Opfer der NS-Massenverbrechen ist für mich eine grundlegende Verpflichtung. Dies trifft auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Dachau zu, die sich täglich für das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in herausragender Weise engagieren. Gleiches gilt für die Kolleginnen und Kollegen an der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg sowie die Beschäftigten der Stiftungsverwaltung selbst. Als Stiftungsdirektor bin ich mir sehr bewusst, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist und jede Unterstützung verdient.
Dieses Schreiben geht in Kopie an die Dachauer Lokalredaktionen von Süddeutscher Zeitung und Münchner Merkur.
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Karl Freller, MdL
1. Vizepräsident des Bayerischen Landtags
Offener Brief an den Stiftungsdirektor Karl Freller vom 24. Februar 2022
Inhaltspezifische Aktionen