Pressemitteilung der Stiftung Bayerische Gedenkstätten 16/2021
MÜNCHEN, 1. September 2021 - Der Ehrenhain I auf dem Friedhof am Perlacher Forst erinnert seit 1950 an Opfer von NS-Verbrechen. Heute wurde seine Neugestaltung mit einem feierlichen Gedenkakt eingeweiht. Ab jetzt informieren Hinweisflächen über die historischen Hintergründe der Anlage und zwölf Glastafeln tragen die Namen der circa 4.000 Opfer. Zu ihrem Andenken wurde die Umgestaltung veranlasst. Stiftungsdirektor Karl Freller dazu: „Diesen Menschen heute – am 1. September 2021, an dem Tag, an dem sich der deutsche Überfall auf Polen und der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 82. Mal jährt - ihre Namen wiedergeben zu können, ist mir eine große Ehre und Verpflichtung. Damit wird dieser Ehrenhain zu einem neuen Erinnerungsort.“ Das Projekt entstand in Zusammenarbeit der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung und des Polnischen Generalkonsulats in München.
Auf dem Ehrenhain I des Friedhofs am Perlacher Forst in München sind 3.996 KZ- und so genannte „Euthanasie“-Opfer aus insgesamt 17 Nationen bestattet. Der ursprüngliche Ehrenhain I wurde 1950 von der Stadt München errichtet. Unter den 44 Grabplatten befinden sich die Urnen der Opfer. 3.972 von ihnen sind namentlich bekannt. In den Urnen, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Krematorium des Münchener Ostfriedhofes gefunden wurden, befindet sich die Asche von mehr als 3.000 Gefangenen des KZ Dachau, die in den Jahren 1933 bis 1942 im Konzentrationslager starben oder im Rahmen der sogenannten Aktion 14f13 in die Tötungsanstalt Hartheim überstellt und dort ermordet wurden. Die Toten stammen aus 16 europäischen Ländern und dem Deutschen Reich. Mehr als 2.000 der Opfer waren polnische Bürger. Auch die Asche von KZ-Opfern aus den Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald, Mauthausen und Flossenbürg sowie die Asche von „Euthanasie“-Opfern aus den Tötungsanstalten Sonnenstein, Bernburg, Grafeneck und Hartheim wurden am Ort beigesetzt. Unter den Namen der Opfer finden sich auch die von sieben katholischen Geistlichen, die zu den „Seligen Märtyrern von Dachau“ zählen, deren Grabstätte jedoch bisher unbekannt war.
Feierliches Gedenken mit interreligiöser Zeremonie
Die Einweihung fand unmittelbar am Ehrenhain I statt. Stiftungsdirektor Karl Freller eröffnete die Veranstaltung, wobei er betonte: „Friedhöfe und Grabstätten der NS-Opfer sind zentrale Orte der Erinnerungskultur. Es ist unsere Aufgabe, sie nicht allein zu bewahren, sondern auch für die kommenden Generationen sichtbarer zu machen“. Ihm folgten Grußworte von Staatssekretär Jarosław Sellin aus Polen und dem Münchner Stadtrat Manuel Pretzl. Staatsministerin Melanie Huml vertrat die Staatsregierung vor Ort.
Teil des Gedenkaktes waren des Weiteren Beiträge von Maria Kuzin, Angehörige des NS-Opfers Priester Stanislaw Wegrzynowski, sowie von jüdischen und christlichen Geistlichen; namentlich vertreten durch Erzpriester Nikolai Artemoff, Regionalbischof Christian Kopp, Pfarrer Rafał Nowak, Rabbiner Steven Langnas sowie Monsignore Dr. Alexander Hoffmann. Für die würdige musikalische Begleitung sorgte Cellistin Danuta Weissbach-Ludwig. Konzept und Gestaltung der Tafeln lagen bei dem polnischen Künstler Marek Pawe Moderau aus Warschau.
3.996 Namen: Persönliche Schicksale und geraubte Leben
Über 3.000 der am Ehrenhain Bestatteten waren Gefangene des KZ Dachau. Bei ihnen handelt es sich um einen Teil der Opfer, die in den Jahren 1933 bis 1942 im Konzentrationslager aufgrund der unmenschlichen Lebensbedingungen starben oder ermordet wurden. Sie waren Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter, die von den Nationalsozialisten unmittelbar nach der Machtübernahme 1933 in das neugeschaffene Konzentrationslager Dachau verschleppt oder aufgrund ihrer Widerstandstätigkeit in den folgenden Jahren verhaftet wurden. Sie waren Juden, Sinti und Roma, Zeugen Jehovas, Homosexuelle, sogenannte „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“. Menschen, die damals nicht in die Weltanschauung der Nationalsozialisten passten und daher Verfolgung und Ermordung ausgesetzt waren. Bestattet liegen am Ehrenhain zudem mehrere Hundert Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen von den Nationalsozialisten als „unwertes Leben“ angesehen wurden. Sie wurden aufgrund von rassenhygienischen Vorstellungen und kriegswirtschaftlichen Erwägungen in den Tötungsanstalten Sonnenstein, Bernburg, Grafeneck und Hartheim ermordet.
Die am Ehrenhain I bestatteten NS-Opfer kamen aus dem Deutschen Reich und insgesamt 16 weiteren europäischen Ländern: Belgien, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Österreich, Polen - aus dem mehr als die Hälfte der Opfer stammte - Rumänien, Russland, Schweiz, Slowakei, Spanien, Tschechien, Türkei, Ukraine und Ungarn.
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