Stiftungsdirektor Freller betrauert Zeitzeugen Gardosch

MÜNCHEN, 17.11.2022 – Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten trauert um Peter Johann Gardosch, der am 16. November 2022 im Alter von 92 Jahren in der Nähe von Berlin verstorben ist. Stiftungsdirektor Karl Freller äußerte sich betroffen zur Todesnachricht, die der Verein Gedenken Kaufering gestern veröffentlichte: „Wir haben einen weiteren wichtigen Zeitzeugen und engagierten Unterstützer verloren. Peter Johann Gardosch hat durch sein unermüdliches Wirken viel für die Erinnerung getan hat. Seinen Angehörigen und Freunden gilt unser tiefes Mitgefühl.“

Anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2022 fand ein digitales Zeitzeugengespräch der KZ-Gedenkstätte Dachau mit Peter Johann Gardosch statt, der als Jugendlicher in Kaufering, einem Außenlager des KZ Dachau, inhaftiert war. Das Gespräch wurde von Frau Dr. Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, moderiert. Gardosch stand über den Chat für Fragen der Zuschauer zur Verfügung. Im Nachgang ließ die KZ-Gedenkstätte das Gespräch auf den eigenen YouTubeChannel übertragen; es kann hier nachgesehen werden. Auch anlässlich der Befreiungsfeier 2021 führte die KZ-Gedenkstätte Dachau ein Gespräch mit Gardosch, das hier abgespielt werden kann.

 

Zur Vita von Peter Johann Gardosch

Peter Johann Gardosch wurde am 8. November 1930 in Neumarkt am Miresch in Siebenbürgen, Ungarn, als Sohn einer gutbürgerlichen jüdischen Familie geboren. Im Juni 1944, nach dem Einmarsch der Deutschen, wurde die Familie nach Auschwitz deportiert, wo ein Großteil der Familienmitglieder ermordet wurde. Der damals erst 13-jährige Gardosch entkam der Selektion, weil er sich als älter ausgab.

Er und sein Vater verbrachten 19 Tage in Auschwitz. Beiden drohte angesichts der geringen Essensrationen der Hungertod, weshalb sie eine freiwillige Meldung zu einem anderen Arbeitskommando riskierten. Sie wurden nach „Kaufering III“ gebracht, einem Außenlager des KZ Dachau. Die Arbeit in den Kauferinger Lagern war mörderisch: für die Rüstungsindustrie mussten Straßen, Panzergräbern oder Bunker gebaut werden. Die meisten Häftlinge überlebten diese Tortur nur wenige Wochen. Ein SS-Mann wählte den jungen Gardosch zu seinem Gehilfen, weil er Deutsch sprach. Das schützte ihn vor der schwersten Arbeit und rettete ihm – seiner eigenen Einschätzung nach - wahrscheinlich das Leben.

Die spätere Lagerevakuierung und den Todesmarsch nutzen Gardosch und sein Vater zur Flucht. Bis zur Befreiung wurden sie im Kloster in Fürstenfeldbruck versteckt. Nach dem Krieg kehrte er zunächst nach Ungarn zurück, wanderte 1963 dann nach Israel aus und kam zuletzt wieder nach Deutschland, wo er studierte und seine berufliche Karriere machte.

Erst spät in seinem Leben begann Gardosch über seine Erlebnisse während der Nazizeit zu sprechen und Bücher dazu zu veröffentlichen: „Die Wiedergutmachung“ (2011) und „Mit 13 durch die Hölle“ (2019). Über viele Jahre stand er als Zeitzeuge zur Verfügung und erzählte – auch digital - von seinen Erinnerungen und Erfahrungen und war ein streitbarer Kämpfer gegen den Antisemitismus.